Abenteuer Indien

Begleitet uns auf unserem kleinen Indien Abenteuer. Seht was wir sehen; fühlt, was wir fühlen; lacht, über was wir lachen. Schön das ihr dabei seid!

Dienstag, 5. Juni 2012

Mutter Indien

...was machst du eigentlich den ganzen Tag? Ein Klassiker unter den Fragen, auch auf meiner Lieblingsinsel (und vermutlich an allen Saisonurlaubsorten) in ähnlicher Weise gestellt als "Was macht der Insulaner eigentlich im Winter"? Und auch die Antwort ist gleich-es wird erledigt, wozu man im normalen Alltag nicht gekommen ist-also gründlich geputzt (oder gründlich beaufsichtigt). Maschinen und Geräte (oder Pools) werden gewartet/gechlort oder via Salzsäure entkalkt. Die Gärtner freuen sich, wenn man mit ihnen durch den Gemüsegarten streift und eigentlich ist immer irgendetwas kaputt, muss organisiert, gekauft oder erledigt  werden.
Dazu kommt dann die Kontaktpflege zu den Gleichgesinnten, Nachbarn und die ständigen Fahrdienste zum Klavierunterricht, Reitstunde, Geburtstagsfeiern, Netzwerktreffen, Urlaub organisieren oder "irgendwas" einkaufen.
Wenn dann noch etwas Zeit ist, kann ich mir auch eine Ausstellung oder eine Galerie anschauen. Unsere Wände waren noch sehr weiss jetzt haben wir ein paar hübsche Kunstwerke ergattert. Bei einem der Bild musste seltsamerweise ich dem Künstler ein Autogramm geben, so sehr hat er sich gefreut, sein Bild verkauft zu haben (und damit seinen Lebenunterhalt und die Farbutensilien für die nächsten x Monate bezahlen zu können).

Couple Village (Künstler Sunil Bambal)
Manchmal fällt dann aber auch bei Betrachtung eines Bildes einfach nur ein Groschen, es macht "Klick" und ich glaube wieder etwas verstanden zu haben, warum manche Dinge hier so unglaublich anders sind.


Mutter Indien (Künstlerin Urvashi Verma)

Zum Beispiel Verantwortung. Auf den ersten Seiten der lokalen Zeitungen gibt es aktuell immer und jeden Tag drei große Themen auf der ersten Seite.
Zunächst ist da mal die aktuelle Schwäche der indischen Währung (insbesondere gegen den Dollar) und die damit einhergehenden Zahlenkolonnen und Auswirkungen auf die Wirtschaft, Inflation und die Vergleiche mit den anderen Schwellenländern China, Brasilien, Russland und Südafrika.
Zweites Topthema ist der (steigende) Ölpreis und das dritte Topthema ist der diejährige Monsun der die Südküste Indiens in diesen Tagen (1 Woche verspätet) erreicht hat. Grandios ist die vorherschende Meinung, wer eigentlich jedes dieser Themen möglichst schnell regulieren sollte:  der Staat und die Regierung. Denn je weiter weg ein Thema vom persönlichen Alltag ist, umso stärker wird der Ruf nach der "Mutter Indien" laut. Mütterliche Attribute sind ja üblicherweise: sanft, fürsorglich, liebevoll und genau das ist die Erwartungshaltung. Der deutsche "Vater Staat" ist ja dagegen eher der kräftige Regulierer und Entscheider, der Respekt erwartet und einfordert. Das Verhältnis der Inder zum Staat und allen offiziellen Behörden inclusive Banken ist dann auch entsprechend: Grundsätzlich erstmal skeptisch gegenüber allen "väterlichen" Institutionen und Regeln und umso stärker gebunden an persönliche "mütterliche" Kontakte, Nachbarn,  die Familie und die Umgebung.
Eine Verkehrsregel zu brechen ist ein echtes Kavaliersdelikt, das umfasst sämtliche Arten von Geschwindigkeitsübertretungen, Roten Ampeln, Geisterfahrten oder auch Alkoholfahrten. Im Falle eine Unfalls oder einer Kontrolle wird sofort versucht das zu "regeln"-der Verursacher zahlt an den Geschädigten eine kleine Summe (vor Ort) die gleiche Summe an den Polizisten (vor Ort und Bar) und damit ist das Gleichgewicht wieder hergestellt, eine nachhaltige Bestrafung oder Registrierung geschweige denn eine Konfiszierung des Führerschein erfolgt nie.
Und diese Vorteilsnahme gegenüber Dritten verhindert im Wirtschaftsleben geordnetes Wachstum, weil es immer um die Vorteilnahme und das Gleichgewicht der Kräfte geht und nachhaltige Top-Down Ansätze häufig scheitern, da die Distanz von den Entscheidungen und den eigenen Lebensumständen einfach zu groß ist. Im Ergebnis werden dann vernünftige Projekte wie z.B.der Flughafen Bau (Indira Ghandi Airport) ca.3-5mal so teuer wie vergleichbare Projekte in anderen Staaten.
Beispiel Ölpreis-anders als in Deutschland sind die führenden Ölgesellschaften in staatlicher Hand. Entsprechend werden die Ölpreissteigerungen nicht so sehr den Konzernen als vielmehr dem Staat angekreidet-und obwohl die Konzerne bereits reale operative Verlust machen (denn die Ölpreisbildung findet ja real auf dem Weltmarkt auf Dollarbasis statt), reagiert Mutter Indien auf den öffentlichen Druck und senkt die Ölpreise zentral entgegen jeder wirtschafltichen Vernunft.
Beispiel Wachstum&Wirtschaftskrise. Indien hat aktuell eine Inflationsrate von über 10%, ein Wachstum von ca.6%, der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt beträgt 60%. D.h.ein erheblicher Teil an Konsum und Investiotionsgütern wird nicht im Land hergestellt sondern importiert-und wenn durch die schwache Rupie diese Importe (aber auch Reisen oder im Ausland studierende Kinder) teurer werden, wird erstmal der Staat und die Banken verantwortlich gemacht. Entsprechend steigt der Druck auf die Regierung, weiter massiv zu investieren (d.h.Staatskonsum) was dieser gerne macht, allerdings parallel Steuern anhebt und damit wiederum die Schwarzmärkte, Korruption und Inflation befeuert. Das ist aber für die meisten Inder irrelevant, weil sowieso alles in "Bar" geregelt wird.


Indischer Ursachen und Krisenlösungsvorschlag: (to bail out: als Bürge einspringen/ausbezahlen)

Ich habe in den letzten 2 Monaten aus diversen Gründen so oft meine Bank besuchen müssen (keine Geldautomaten), wie vorher in 15 Jahren nicht. Online Überweisungen sind zwar technisch möglich, praktisch nutzt sie fast niemand, auch nicht für "Standard"transfers wie Telefon, Strom, Gas und natürlich auch die diversen Dienstleisungen, inclusive unserer Farmangestellten-alles läuft über Bargeld, Cash oder Schecks. Die größte Geldnote ist ein 1000 Rupienschein (entspricht 15 EUR) ...und wenn "Zahltag" ist, werden wie früher in den Zechen Bündelweise die Gehälter gezahlt-und dieses Prozedere ist für die Mitarbeiter wichtiger als anonyme Bank bzw.Staatskonten.
Beispiel Monsun: Die Abhängigkeit vom Monsun ergibt sich aus dem hohen Landwirtschaftsanteil des Landes, ohne Monsun und die entsprechende folgende Ernte kann das Wachstum jederzeit in sich zusammenfallen oder auch anziehen. Nun wird Mutter Indien nicht fürs Wetter verantwortlich gemacht, aber für die exakte Vorhersage des Monsuns bzw.eine gerechte Landreform durchaus. 

Fest steht auf jeden Fall: am Samstag werde ich mit den Kindern "Stadtflucht" begehen und hoch in die Berge nach Kashmir (Srinagar) in das "Vorhimalayagebiet" reisen, dort für 2 Wochen auf einem Hausboot bei einer Familie leben und von dort aus kleine und größere Touren unternehmen. Fotoapparat ist auf jeden Fall im Gepäck-sollte es dort Internet geben, versuche ich auch ein paar Blogs/Bilder zu posten-ist ja schliesslich unser erster "Schritt" raus aus der Stadt. Mareike darf in der Zwischenzeit auch frische Luft schnappen und ein paar Tage dienstlich nach Deutschland in die Heimat wo sie bei ihren Eltern unterschlüpft und eine kleine Einkaufsliste für die Familie abarbeitet. Mütter und Frauen sind schon was Feines.

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